Mein Pferd & mein Reitstil

Harlekin und ich beim Ausreiten  (Juli '11)  - - - Ganz unten findet ihr alle anderen Bilder!
Harlekin und ich beim Ausreiten (Juli '11) - - - Ganz unten findet ihr alle anderen Bilder!

 

Allgemeines:

Das Pferd auf dem Bild war mein Pferd Harlekin, er wurde 25 1/2 Jahre alt, bevor ich ihn am 15.08.13 einschläfern musste. Er hatte ein Stockmaß von ca. 1,75m.

Wir kannten uns seit 8 Jahren und verstanden uns einfach immer nur super. 

Seine Rasse und sein genaues Geburtsdatum sind unbekannt. Er hatte auf jedenfall mal ein größeren Anteil Araberblut, weil er für seine Größe extrem zierlich gebaut war und ein ziemlich schmalen Kopf hatte (Er brauchte Halfter in Araber-Größe!).

 

Ich ritt, egal bei welchem Wetter oder ob es schon dunkel war, nur draußen und eigentlich immer allein, weil es ein riesengroßes Ausreitgelände rund um den Hof gibt und reiten in der Halle doch total öde ist.

 

Mein Reitstil:

Ich ritt Harlekin ausschließlich gebisslos mit einer von meinen selbstgemachten Sidepulls und mit meinen Lammfellsattel. Vor meinem Lammfellsattel bin ich 1 Jahr lang ganz ohne Sattel geritten. Ganz selten benutzte ich auch mal einen Halsring (eigentlich ein Strick, der um seinen Hals geschlungen ist).

Allgemein kann man meine Reitweise der des Natural Horsemanship oder dem Freiheits-/Vertrauenreitens zuordnen. Auf Turniere oder so werde ich nie gehen, denn ich finde, dass ich das meinem Pferd nicht antun muss und mir macht das Turnierreiten auch kein Spaß. Es ist einfach viel zu stressig und belastend für Reiter und Pferd gleichermaßen.

Früher war Harlekin mal ein S-Springer, der dann zu alt wurde und sozusagen abgeschoben wurde, um den Rest seines daseins als Schulpferd zu verbringen.

3 Jahre lang, bis zum Sommer 2012 konnte ich ihn uneingeschränkt reiten, dann hat ihn jedoch seine Vergangenheit eingeholt, wodurch er starke Arthrose am vorderen, rechten Krongelenk hatte.

 

Zu seinen Krankheiten und seinem Tod:

Die Arthrose war immer sehr einfach zu behandeln, nie hatte er Schmerzmittel gebraucht. Aber ab Anfang August 2013 fing er plötzlich sehr stark auf dem anderen Vorderfuß zu hinken an. Der Tierarzt machte Röntgenaufnahmen und stellte eine Hufrehe und hochgradigen Kusching  fest. Schon bevor ich den Tierarzt gerufen habe, spürte ich aber instinktiv, dass es diesmal wohl keine Aussicht auf Besserung mehr geben wird. Meine Ahnung hatte sich leider bestätigt, nachdem die Medikamente nichts genützt haben und sein Huf in der darauf folgenden Woche nur schlimmer wurde.

Nachdem was mit meiner Hündin Gina geschehen ist, konnte ich über seinen Tod aber nicht wirklich traurig sein. Nach Ginas Tod habe ich mehr sehr viele Gedanken zu diesem Thema gemacht und sterben müssen wir nun eben mal alle, aber eingentlich konnte Harlekin keinen schöneren Tod haben. Er konnte friedlich alt werden,  er war nie allein, denn trotzdessen das ich ihn das letzte halbe Jahr kaum mehr reiten konnte kam ich jeden Tag und bin mit ihm egal bei welchem Wetter spazieren gegangen. Jeden Tag habe ich ihm Heucobs gemacht und Minalpellets, Leinöl, Melassesirup und Sojaschrot daruntergemischt. Außerdem bekam er dazu auch immer noch 1kg Karotten, 1 Banane und etwas trockenes Brot.

 

Andere Reiter mit älteren Pferden haben ihre Pferde nachdem sie krank oder einfach zu alt zum reiten wurden immer aufs Abstellgleis in Rente geschickt. Sie haben ihre Pferde 1-2 mal die Woche besucht oder zu diesem Zweck eine Reitbeteiligung gehabt und haben sich einfach ein neues, junges und fittes Pferd zum reiten gekauft. Sollte ich die ungeschinkte Wahrheit sagen, was ich wirklich fühle, dann würde ich sagen: "Ich verabscheue solche Menschen". Niemals werde ich es ertragen können, wie man jahrzehntelang mit seinem Pferd Spaß haben und Sport betreiben kann, um es dann einfach im Stich zu lassen, wenn sich die Situation umkehrt und man nun seinem Pferd einmal etwas zurückgeben muss, nachdem es immer alles für einem gegeben hat.

Nur durch meine tägliche Pflege, den Kontakt und schlichtweg dadurch, dass ich ihn nie links liegen gelassen oder aufgegeben habe, konnte er letztendlich 25 1/2 Jahre alt werden.

  

Meine Philosophie und ihre Entstehungsgeschichte:

Viele wundern sich über meine eher ungewöhnliche Reitweise, aber ich sage da einfach: Wieso sollte ich Dinge benutzen, die ich garnicht benötige!? 

Das Schwierigste im Leben, nicht nur beim Reiten, ist meiner Meinung nach eben immernoch seinen eigenen Weg zu finden und zu gehen, was heißt: altherbegrachte Dinge, wie z.B. das Reiten mit einem Gebiss, zu hinterfragen und diesen Dingen durchaus kritisch gegenüberzustehen. Auch sollte man den Mut haben, sich wenn nötig/möglich bewusst gegen diese Dinge zu entscheiden und vor allem: Danach zu seiner Entscheidung zu stehen!

Deshalb werde ich mich von dem, was andere so für "korrektes Reiten" halten auch in Zukunft nicht beeinflussen lassen, sondern meinen eigenen Weg gehen. 

 

Viele "Normalreiter" unterschätzen nämlich auch gewaltig, wie viel Vertrauen, gegenseitiges Verständnis, Geschicklichkeit und reiterliches Können nötig sind, um nur mit einem Halfter, Strick und ohne Sattel völlig gelassen Galoppvolten und Vorhandwendungen zu reiten oder Harlekin ganz ohne Zügeleinwirkung rückwärts zu richten. Nicht jede Lösung funktioniert natürlcih für jedes Pferd, das sehe ich ein, aber man sollte viel offener für Neues sein und es sollte eine Bereitschaft geben über seinen eigenen Tellerrand hinaus zu sehen und sich vielleicht auch mal ein Beispiel an anderen Reitsportdisziplinen zu nehmen.

 

Ich hatte, als ich meine Art des Reitens entwickelte und entdeckte keine Vorbilder, denn noch nie hatte ich vom Gebisslos- oder Ohne-Sattel-Reiten gehört. Ich wusste lediglich, dass es so nicht weiter gehen konnte: Das Reiten mit Gebiss oder Harlekin zu irgendwelchen angeblich gesundheitlich wichtigen Dehnübungen zu zwingen, ihm einen alten, harten, unnachgiebigen und schweren Sattel aufzuzwingen, ...

 

Ich habe in Harlekins damals sehr traurige Augen gesehen und erkannt, dass dieser Weg einfach nicht der Richtige sein kann - nicht für ihn und auch nicht für mich. So stand ich da, als 14 jähriges Mädchen in einem Stall, in dem man schon aufgefallen ist, wenn man mal ohne Martingal geritten ist und habe beschlossen, dass ich es nie mehr zulassen werde diesen Blick in Pferdeaugen zu sehen, ganz besonders wenn es doch so einfach ist, etwas dagegen zu tun.

Wegen meines Andersdenkes wurde ich aus dem Stall vertrieben, aber als dieser nach einem 1/2 Jahr pleite ging, habe ich keine Sekunde gezögert ein 20 jähriges Pferd, dünn und apathisch, mit schlimmer Strahlfeule und bekannten Athroseerscheinungen zu kaufen.

 

Von da an hab ich mir und Harlkin alles selbst beigebracht was wir heute können, völlig ohne Hilfe oder Untertützung. Von den von neugierig über verwundert, bis hin zu abschätzig reichenden Blicken der "Normalreiter" habe ich mich jedoch nie irritieren lassen.

Das Resultat war, dass Harlekin bis er 25 Jahren alt wurde nur geringe alterstypische Probleme hatte und dass er absolut neugierig, wissbegierig und aufgeschlossen war, aber trotzdem immer die Ruhe bewahrte und gelassen blieb. Ein Verlasspferd mit dem man durch dick und dünn gehen konnte.

Der Besitzter meines Reitstalls kannte Harlekin schon seit 20 Jahren von Turnierbesuchen her und er meinte, dass es ein Wunder sei, dass "der alte Drecksack" nachdem er nachdem er so brutal eingeritten, ausgebildet und ausgenutzt wurde überhaupt so alt geworden ist - geschweige denn, dass er bis ins Alter von 24 Jahren noch uneingeschränkt zu reiten war.

 

Wir spielen mit den "Hindernissen" am 18.05.13
Wir spielen mit den "Hindernissen" am 18.05.13

 

Genaueres zu meinen Reitmethoden:

 

 - Meine Sidepulls:

Meine Sidepulls hab ich selber gemacht, weil keine der Sidepulls und gebisslosen Zäumungen, die es so zu kaufen gibt, meinen Vorstellungen entsprochen hat. Es gab nur Pelham oder Bosal damals zu kaufen und niemand bot eine Sidepull mit einem Nasenriemen aus Leder an. Diese waren für uns viel zu scharf oder die Riemen waren steinhart oder zu grob, deshalb hab ich mir halt selber welche gebastelt, die perfekt zu uns beiden passen.

Dazu habe ich mir einfach einen hannoveranischen Nasenriemen in der größten Größe gekauft, einen Riemenschoner aus Lammfell drauf gemacht und die Zügel dann mit Snaps an die kleinen Ringe gehängt. Den Nasenriemen ziehe ich aber immer nur so eng zu, dass noch mindestens meine gesammte Hand zwischen Nasenrücken und Riemen passt. Inzwischen hab ich mir so schon eine Sidepull in schwarz, braun und meine Lieblings-Sidepull in rot gebastelt.

 

- Mein Lammfellsattel:

Ohne Sattel binich bis zum Schluss noch öfters geritten, weil man so viel freier war, es mich überhaupt nicht beeinträchtigte und ich so problemlos alle Situationen meistern konnte - auch springen!

Aber ich habe mir einen Lammfellsattel von Christ gekauft, da das dauerhafte Barebackreiten den Pferderücken belastet und meine Reithosen einfach immer unmöglich dreckig wurden. Dieser "Sattel" besteht eigentlich nur aus einer Schabracke, die an der Ober- und Unterseite der Sitzfläche dickes Lammfell hat. Ich hab allerdings die etwas teurere Variante genommen, da diese vorne noch Pauschen und Verbundschaumeinlagen unter die Sitzfläche hat.

 

Ich kann sagen, dass ich einfach nur komplett begeistert von meinem Fellsattel bin. Er ist super bequem und gerade im Winter schön warm und kuschlig. Aber selbst im Sommer schwitzt man kein bisschen, da er nie zu warm wird, und der Rücken von Harlekin ist nach dem reiten auch immer nur wenig verschwitzt. Das wichtigste Kriterium beim Kauf war für mich allerdings, dass der zukünftige Sattel perfekt Harlekins Rücken und seinem riesen Widerrist passen muss, um seine Wirbelsäule eben bestmöglichst zu schonen. Dies wird beim Fellsattel eben dadurch gewährleistet, dass er keine "festen" Teile (Sattelbaum, Leder, ...) hat, sondern nur die flexiblen Verbundschaumeinlagen, die ca. 2 cm dick sind. Mit diesen Verbundschaumeinlagen hat der Fellsattel sogar bei Tests bessere Werte in der Druckverteilung und Entlastung des Pferderückens erzielt als Maßsättel, was ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen kann. Genauso wichtig beim Kauf war mir dazu aber noch, dass man immernoch die Bewegung des Pferderückens und die angenehme Wärme die von ihm ausgeht spürt, denn wenn man dieses Gefühl einmal kennengelernt hat, will man es für keinen Sattel der Welt mehr aufgeben.

 

Harlekin und Ich bei eisigen Temperaturen draußen unterwegs (Dez. '10)
Harlekin und Ich bei eisigen Temperaturen draußen unterwegs (Dez. '10)

Unsere Geschichte: 

Früher gings Harlekin bei weitem nicht so gut wie heute. Als ich ihn kennenlernte war er 18 Jahre alt und dünn, schon fast mager. Er durfte nie auf eine Koppel oder Paddock, stand den ganzen Tag nur im Stall. Der Stallbesitzter hatte ihn und 3 andere Pferde nur gekauft, damit er seinen ambitionierteren Reitschülern Reitbeteiligungen zur verfügung stellen und somit mehr Geld verdienen kann. Ich wurde schnell Harlekins alleinige Reitbeteiligung, da keiner so richtig mit ihm klar kam. Ich erfuhr dann langsam auch über seine Vergangenheit, wie er brutal eingeritten wurde und gequält wurde, bis er spurte was anscheinend notwendig war damit er S-Turniere springen konnte. Da wurde mir viel klar, unter anderem auch warum wir so gut zusammen passten, da wir nämlich beide unsere persönliche Hölle durchleben mussten und uns trotzdem nicht von den anderen Menschen haben unterkriegen lassen.

Als der der vom damaligen Besitzer komplett ausgebeutete und runtergewirtschaftete Reitstall dann  pleite ging und ich Harlekin seit einem 1/2 Jahr nicht mehr gesehen hatte, da ich zuvor aus dem Stall gemobbt wurde, zögerte ich nicht ihn sofort noch einmal "Probe zu reiten" und dann zu kaufen.

Beim diesem einen Probereiten wurde ich von den anderen Reitern die sich extra versammelt haben angeschaut, als hätten sie noch nie jemanden gesehen, der einfach sein Pferd reitet und das Pferd dann auch völlig gelassen alles macht was man möchte. Erst nach dem Ritt erfuhr ich dann, dass sich absolut niemand mehr auf Harlekin traute, da er sich allen anderen Reitern gegenüber zunächst stur und anteilnahmslos verhielt, aber wenn der Reiter dann etwas gedrängt hatte, unbeherrschbar aggressiv wurde und selbst den erfahrensten Bereiter runterschmiss.

 

Ich kannte Harlekins Sturkopf und eisernen Willen beriets und wusste, dass er zum unbändigen Wilden werden konnte, wenn man ihn zu etwas zwingen wollte, aber bei mir war er immer ein Engel und das bravste, einfühlsamste und rücksichtsvollste Pferd, dass man sich vorstellen konnte, da ich ihn nie zu etwas zwang, sondern einfach sanft und rücksichtsvoll mit ihm umging. Deswegen waren wir zwei auch um so erfolgreicher und harmonischer als viele andere Reiter. Bei uns war es einfach anders als bei den Reitern die ihre Pferd nur mit viel Müh und Not (Sporen, Gerte, Treiben bis die Reiter schweißgebadet waren) motiviert bekommen haben oder ihr Pferd instant reisaus nahm nachdem es sich erschrocken hatte da keinerlei Bindung zwischen Pferd und Reiter existierte, geschweige denn gegenseitiger Respekt für einander.

 

Seit ich Harlekin dann aber gekauft hab, hat sein Leben eine 180° Wendung gemacht. Er hat endlich mal richtig zugenommen, wurde topfit; Er ist war wie 10 Jahre jünger und einfach wieder richtig aufgeblüht.

Ich finde, dass es deswegen die größte Strafe für Harlekin gewesen wäre, wenn man ihn wie geplant auf einem Gnadenhof abgeladen hätte, da er ja noch völlig gesund und fit war.

Erst wird er nur ausgebeutet, dann, als er zu alt für den Springsport war, wird er in irgendeinen Stall abgeschoben und kann dort dann verrotten. Deshalb halte ich nicht viel vom Turniersport im großen Stil, da Erfolg und Geld immer auf Kosten der Pferde geht; Sie werden nur noch Mittel zum Zweck und garnichtmehr als Lebewesen mit eigenen Gefühlen und Bedürfnissen angesehen.

 

Nahc seinem harten Leben wusste Harlekin um so mehr wieviel eine riesige Koppel, gute Pflege, gutes Futter, unendliches Ausreitgelände und Zuwendung wert waren. Dafür war er mir auch immer sehr dankbar, und wenn er glücklich war, dann war ich das auch gewesen.

 

Wir hatten die beste Zeit zusammen und ohne ihn wäre ich bei weitem nicht die Person, die ich heute bin. Er hat mir mehr für mein Leben gelehrt, als es jeh irgendein Mensch wird tun können.

Hier seht ihr die neueren Bilder von 2009-2013!

 

Die aktuellsten Bilder sind ganz vorne! Schaut sie euch am besten im Vollbildformat an!

Hier seht ihr ältere Bilder von 2008, noch im alten Stall.

 

Die Bilder sind auf der Koppel entstanden, als Harlekin (damals 20) das erste mal nach 3 Jahren wieder auf eine Koppel durfte nach einer wohltuenden Dusche im Sommer. Die Bilder sind einfach ein Ausdruck purer Freude.

 

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